In 5 Tagen quer durch die Winterwildnis der Provinz Quebec

06. - 12.März 2004

Ein Reisebericht

von

Claus Evels



Wie bin ich eigentlich auf diese Tour gekommen ?

Es ist schon ein einige Jahre lang ein Traum gewesen - mit dem Snowmobil quer durch die Einsamkeit der Wildnis in Canada. (Ja ich weiß, dass in Deutschland Kanada mit „K“ geschrieben wird, aber dort schreibt man es mit „C“ und ich finde es so auch schöner). Und dann kam der Gedanke: wenn ich 40 werde, dann wünsche ich mir eine Reise zum Geburtstag! Gesagt, getan. Im Oktober 2003 kommt dann endlich die aktuelle Tourliste vom Actionteam der Zeitschrift Motorrad. Mein Freund Ingo meint nur: Dich kann ich doch nicht alleine fahren lassen, also buchen wir den Flug und die Tour im Doppelzimmer. Jetzt ist es wichtig, die erhaltene Checkliste durchzugehen, vom wasserdichten Bag zum Thermo-Halstuch über die gute Sonnenbrille. Oh- was ist denn da zu lesen: „Es wird dringend Personen mit Rückenproblemen von dieser Tour abgeraten“. Also was nun? Ich will diese Tour machen, es ist doch ein Traum. Also zum Orthopäden und Schmerzpillen verschreiben lassen, nur für den Notfall versteht sich.

Anreise - Samstag, 06.03.2004

Morgens um 3:40 h zu Hause aufgestanden, geduscht und ab zum Flughafen Münster/Osnabrück. Dort geht die Maschine der Eurowings pünktlich um 06:15 h in die Luft. Um 08:00 h dann die Landung in Frankfurt mit anschließendem Weiterflug mit der AirCanada um 10:00 h nach Montreal. Gelandet um 11:15 h empfängt uns schon Xavier, ein Mitarbeiter von Globetrotter Adventures. Er sagt uns, dass er noch auf einen Teilnehmer warten muß und bietet uns an, das Gepäck im Fahrzeug zu verstauen und uns in der Altstadt von Montreal abzusetzen. Also gehen wir zum Parkhaus und fahren in die 2. Etage. Er bringt uns (wir mit unseren Koffern bepackt) eine Etage über die Treppe höher, dort angekommen hören wir nur ein „Ups“, worauf er uns dann wieder die Treppe herunter führt. Na toll! Am Auto angekommen dann das nächste Problem, wie bekomme ich die Hecktüren auf? Ich sehe nur Ingo an und sage:“ Mann, was für eine Karre.“ Endlich die Koffer durch die Seitentür verstaut, sucht Xavier den Schlüssel. Tja, was kommt wohl als nächstes?

In Montreal setzt er uns dann am Notredam ab und wir verabreden uns um 17:30 h an der gleichen Stelle. Wir ziehen also los, um die schöne Altstadt von Montreal zu bestaunen. Doch wo ist sie? Wir finden zwar alte Gebäude, aber ansonsten nur verdreckte Straßen. Die Spitze bildet dann Chinatown! Man kann es nicht beschreiben, man muss es sehen, nur Kitsch und Dreck! Und nachdem wir doch noch etwas zu Essen bekommen haben, trinken wir noch eine Flasche Bier in einem Cafe. Schlappe Can$ 9,- für eine Flasche.
Am Treffpunkt wartet dann schon Xavier mit dem 3. Teilnehmer, Werner aus Fürth. Nun müssen wir noch unseren Tourguide abholen. Das ist JC, was für Jean-Charles steht. Ein lockerer Typ wie sich schon auf der Fahrt in Richtung St. Come herausstellt. Und noch etwas sehr angenehmes fällt mir gleich auf, Werner kann perfekt Englisch und Französisch!
Nach etwa 2 Stunden Fahrt Richtung Norden erreichen wir bei Dunkelheit das Basis Camp von Globetrotter Adventures, die Auberge au Couchant, in der Nähe von St. Come. St. Come ist übrigens berühmt für seine Eisskulpturen. Jeder Einwohner kann sich im Herbst bei der Stadtverwaltung melden und erhält dann im Januar die gewünschte Zahl an Eisblöcken aus dem nahegelegenen See angeliefert. Dann werden die verrücktesten Skulpturen aus dem Eis gesägt, gemeißelt und mit Lötkolben glasig gebrannt. Leider hat die Sonne fast alle Kreationen bis auf kümmerliche Eisklumpen zusammengeschmolzen und wir können nur noch etwas erahnen.

Nach dem Check-in und dem Gepäcktransport in die einfachen aber ordentlichen Zimmer gehen wir zum Abendessen. Wir haben ein Problem mit der Zimmertür, die wir nicht mit dem Schlüssel verschließen können. Am Tisch klärt uns dann Werner darüber auf, dass die runden Türklinken von innen eingedrückt und dann gedreht werden müssen. Dann braucht man die Tür nur noch zu ziehen und kann sie von außen wieder mit dem Schlüssel aufschließen. Tja, da weiß Werner noch nicht, dass ihm genau das in den nächsten Tagen noch zum Verhängnis werden wird!
Zum Essen gibt es eine Pilzcremsuppe, Fisch mit Reis und Gemüse und einem Kuchen zum Nachtisch. Diesen habe ich probiert und ich dachte, mir fallen die Zähne aus dem Mund, so süß war der Kuchen, also nichts für mich! Aber umweltbewusst, wie unser Guide JC nun mal ist, verputzt er alle Kuchen, die überblieben, ein Leckermäulchen also, unser Guide.
Wie sich herausstellt, besteht in dieser Woche unsere Gruppe nur aus uns drei Deutschen. Ingo ist hierüber erst enttäuscht, er hat sich eine größere Gruppe gewünscht. Aber es stellt sich schnell heraus, dass es eine glückliche Fügung des Schicksals ist, dass nur wir 3 in der Gruppe sind.

Unser Tourguide Jean-Charles, "JC", legt Wert darauf, nicht mit einer anderen gottgleichen Person mit den selben Inititialen verwechselt zu werden (Jesus Christus). Werner spricht mit ihm abwechselt französisch und englisch, ich englisch in einfacher Form und Ingo, der kein englisch spricht, versucht es auf seine Art, z.b. Masematte. Tja, und schnell hat JC von uns gelernt, bis drei zu zählen und er weiß, was Arschloch und geil heißt!
Sehr oft bemerkt man, dass die Quebequoises großen Wert auf ihre französische Abstammung sowie ihre Eigenständigkeit von der Staatsregierung legen, was unter anderem auch durch eine bewusste Ablehnung der englischen Sprache zum Ausdruck gebracht wird.

Nach dem Essen bekommen wir von unserem Tourguide erste Informationen über unsere Etappen. Dann noch das wichtigste, zumindestens für den Veranstalter: Unterschreiben der Verträge, Vorlegen der Führerscheine und Hinterlegen der Can$ 1.500,- Kaution für das Snowmobil. Da Ingo keine Eurocard besitzt habe ich, Kumpel wie ich nun mal bin, ebenfalls für ihn die Kaution hinterlegt. Nach dem Essen habe ich mit Ingo noch eine Moods geraucht, selbstverständlich am Kamin, der von Glas eingerahmt mitten im Zimmer eingebaut ist. Dann endlich ab ins Bett!


1.Fahrtag-Sonntag, 07.03.04
(St. Chome – Lac Nominingue) 90 Meilen / 144 km

Um 05:30 h ist die Nacht vorbei und ich bin wach. „Es ist noch zu früh,“ denke ich und bliebe noch eine Stunde liegen. Dann duschen, Gepäckrolle packen, Ingo aus dem Bett schmeißen und hoch zum Frühstück. Ach ja, Ingos Frau erzählte mir noch in Münster, dass Ingo schnarcht! Deshalb steckte meine Tochter mir zur Sicherheit Ohrenstöpsel in meine Jacke ein. Aber die brauche ich nicht, da das Schlafen mit Ingo (nur das in einem Raum, denn wir haben immer getrennte Betten!) sehr erträglich ist. Insider wissen, warum ich sicherheitshalber die Stöpsel mitgenommen habe, denn da gab es mal eine Begegnung im Sauerland!
Zum Frühstück gibt es für alle Frenchtoast, das ist ein Toastbrot, welches in Rührei eingeweicht und dann in einer Pfanne gebraten wird, mit Fruchtcocktail.
Dann wird es endlich spannend! Wir gehen in die Ankleidekammer. Dort bekommen wir spezielle Boots, die, ähnlich wie schnürbare Gummistiefel, mit einem ca. 8 mm Filz-Innenfutter versehen sind, eine Thermohose (meine ist, wie ich leider erst hinterher feststelle, im Schritt eingerissen), eine Thermojacke, ein Paar Fausthandschuhe und natürlich einen Jethelm mit Klappvisier. Es sieht zwar nicht so aus, aber die Sachen sind echt bequem!

Gespannt warten wir dann auf die Übergabe und Einweisung unserer Schneemobile. Wir bekommen blau-weiße Tourer der Firma Polaris – laut JC einer der besten Anbieter am Markt, gefolgt von Yamaha und Bombardier – dem Erfinder dieser Fahrzeugart. Arctic Cat, ein weiterer Hersteller, wäre nur etwas für Spezialisten und Schrauber. Werner hat sich schon das mittlere Gefährt ausgesucht und Ingo geht zielstrebig auf das erste zu. Also nehme ich mir das letzte Mobil.

Ein luftgekühlter 2-Zylinder 2-Taktmotor mit 550 ccm Hubraum treibt über eine stufenlose Fliehkraft- Riemenautomatik die unter der Sitzbank angeordnete ca. 40 cm breite gefederte Gummiraupe an. Hat man auf der bequemen und hervorragend gepolsterten Sitzbank Platz genommen, liegt der Lenker gut in der Hand. Beschleunigt wird über einen Hebel mit dem rechten Daumen bzw. besser mit der Innenfläche der rechten Hand (wie bei Jetskis). Gleich stellt sich mir die Frage:“ Was macht ein Schreiner, der keinen rechten Daumen mehr hat?“

Die Bedienung habe ich mir schwieriger vorgestellt und alles geht problemlos. Überwiegend gibt es nur zwei Hebelpositionen: Standgas oder Vollgas. Der Bremshebel befindet sich auf der linken Lenkerseite. Dort liegen auch die Schalter für das Abblendlicht sowie für die mehrstufige Griff- und Gashebelheizung und der Knopf zum Aktivieren des Rückwärtsganges. Gestartet wird per E-Starter durch Drehen des Zündschlüssels. Zusätzlich gibt es noch einen Seilzugstarter, für alle Fälle. Auf der rechten Lenkerseite liegt, wie beim Motorrad, der Kill-Schalter. Das Armaturenbrett nimmt ein großer Rundtachometer in Beschlag. Die Geschwindigkeitsskala reicht – typisch amerikanisch optimistisch – bis 200 km/h. Die tatsächlich von uns erreichte Höchstgeschwindigkeit liegt jedoch "nur" bei 120 km/h. Stärker motorisierte Maschinen erreichen jedoch problemlos über 200 km/h. Unsere Maschinen sollen in ca. 6 Sekunden auf 80 km/h beschleunigen können. Dragster Schneemobile schaffen die 100 km/h in 2,2 Sekunden. Die Füße ruhen auf durchgehenden Trittblechen. Vorne ist oberhalb der Zehen eine Querstange montiert, an welcher man sich bei rauer Fahrt – das heißt, bei uns meistens – sowie in schnell gefahrenen bzw. engen Kurven mit den Zehen einhakt.

"Als absolut wichtigste Regel immer, immer ganz weit rechts fahren und niemals hinter einem Hügel stehen bleiben", ermahnt uns JC. Wie recht er damit hat, wird ER später noch selbst erleben. "Mit Bedacht bremsen, sonst blockiert die Raupe, und die Fuhre schleudert wie ein wild gewordener Bulle quer über die Piste. Beim Kurvenfahren mit dem Oberkörper scharf in die Kurve legen bzw. bei Bedarf sogar wie beim Motorrad auch das Knie herausstrecken und sich mit dem Hinterteil neben die Sitzbank hängen.“ Soweit die Technik.
Dann zeigt er uns noch die wichtigste Zeichensprache der Snowmobilisten. Kommt eine Gruppe entgegen, zeigt der erste (er sollte selbstverständlich keine Fäustlinge, sondern Fingerhandschuhe tragen) mit der linken Hand an, wie viele Snowmobile folgen, der zweite hebt den Daumen, wie beim Trampen, mit einer Bewegung nach hinten. Alle anderen machen das Gleiche, jedoch hebt der letzte, das ist dann meine Aufgabe, die linke Hand mit einer Faust geballt im rechten Winkel zum Oberarm an. Den linken gestreckten Arm auf und ab bewegen heißt langsam fahren. Den linken Arm ausstrecken bedeutet links abbiegen und den linken Arm im rechten Winkel mit offener Handfläche im rechten Winkel angehoben heißt rechts abbiegen. Wird der rechte Arm angehoben, muß gestoppt werden (Da man in diesem Augenblick den Daumen vom Gas nimmt, bremst die Karre automatisch ab).

Nun die Gepäckrolle auf dem Soziussitz verzurrt, und los geht´s. Ein kurzer Dreh am Zündschlüssel erweckt den Motor zum Leben. Das noch aus jugendlichen Zündapp-Tagen wohl bekannte 2-Taktknattern setzt ein. Beim Gasgeben geht das "Rengdengdengdengdeng" jedoch unvermittelt in ein infernalisches, kreissägenartiges Kreischen über. Jeder deutsche Ordnungshüter würde bei der Phonmessung in Ohnmacht fallen und jeder Harley Fahrer würde sich lächelnd wegdrehen.

Erst langsam mit dem Daumen dosiert, fahre ich an, und schon nach 10 Metern taucht das Kribbeln auf und ein Gefühl in mir sagt:“ Komm - nur einmal kurz - ganz kurz! Schaut doch keiner hin!“ Tja, und soll man sich dagegen wehren? Also kurz zurück fallen lassen, den Daumen bis zum Anschlag durchdrücken und sofort wieder loslassen. Geil, dieses Gefühl, welches mich in den nächsten 5 Tagen weiter verfolgt! Dann schön langsam in der Kolonne durch den Wald über einen speziellen Trail, welcher plötzlich an einer Straße endet. JC fährt los! Er fährt mit der Kiste über die freie Straße, auf der kein Schnee liegt! Werner schaut ungläubig zu Ingo und Ingo zu mir: ....jetzt spinnt unser Guide! Aber er gibt uns ein Zeichen, dass wir ihm folgen sollen. Na, dann!
Kurz getankt dümpeln wir mit Tempo 30-40 km/h durch die Wälder des Rouge-Matawin Naturparks nach Norden.
Gegen Abend stehen gelegentlich schon einmal 60-80 km/h auf der Uhr. Die Pisten sind teilweise waschbrettartig ausgefahren und erlauben kaum höhere Geschwindigkeiten – außer man kümmert sich nicht um die Maschine und bügelt die Wellen einfach mit dem Gashebel glatt - und riskiert auch einmal einen Abflug in den Graben. Und wir bügeln, Motocross mit Schneeketten!

In der Gegend von St. Come ist der Schnee schon erheblich abgeschmolzen. Die Bäume sind hier schon nicht mehr schneebedeckt; gleiches gilt teilweise auch für die Straßen. So fährt man dann doch gelegentlich einige Meter über Split und Asphalt. Nicht gut für die Kufen, aber nicht zu ändern, sagt JC. Der Vorteil des relativ milden Klimas – relativ bedeutet immer noch – 25°C in der Nacht und -5°C bis +5° am Tag – liegt in den angenehmen Tagestemperaturen. Außerdem genießen wir während der 5 Fahrtage stets herrlichen Sonnenschein und einen strahlend blauen Himmel. Durch das in diesem Jahr relativ frühe Saisonende sind selbst am Sonntag kaum noch Schneemobilsten unterwegs. In den Folgetagen, weiter oben im Norden, begegnen uns während des ganzen Tages teilweise nur noch 2-3 Schneemobile. Das ist auch gut so, denn ab dem zweiten Tag wird gefahren, was die Maschinen hergeben - mit anderen Worten: über unsere Verhältnisse, und den Hintern in jeder Kurve raus. Da ist es "gesünder", wenn es keinen Gegenverkehr gibt. Werner und Ingo sind auch keine Freunde von Traurigkeit und geben ebenfalls kräftig Gas. Den Beweis hierfür bekommen wir bei den mehrmals am Tag erforderlichen Tankstops präsentiert, sofern wir eine Tankstelle finden. Apropos Tankstelle, diese besteht in der Regel darin, dass ein Tank im Schnee vergraben steht, das Bedienungspersonal durch unseren Guide irgendwo aufgetrieben wird, dann in einem Schuppen ein Generator angeworfen wird und dann die Suppe in den Tank fließt. Unser Verbrauch liegt, je nach Strecke, zwischen 20-30 Liter auf 100 km. Der Preis liegt zwischen Can $ 0,89 und Can $ 1,29 / ltr. Der Kurs steht bei € 0,60 = Can$1,-! Aber mir ist alles egal, ich will Fun und werde ihn bekommen!

Die Strecke verläuft auf Waldwegen durch hügeliges Gelände. Außer der Piste und den Wäldern am Wegesrand gibt es nichts – aber auch gar nichts zu sehen. Keine Tiere, keinen Ausblick in die Landschaft, keine Sehenswürdigkeiten. Oft allerdings kaputte, abgebrochene Bäume. Mein erster Eindruck von der Landschaft: „Ist das alles ?“

Mitten im Wald zucke ich zusammen. Neben mir fährt ein Auto - oder besser gesagt, eine Mischung zwischen Auto, Autoscooter, Schlitten und was weiß ich alles - und überholt mich und die anderen!
Mittags machen wir an einer grünen Hütte mit Snackbar für Schneemobilsten, einem ehemaligen Waldarbeiter-Camp, Rast. Hier treffen wir auch den Mischling wieder. Dieses Gefährt hat zwei nebeneinander angeordnete lederbezogene Recarositze (keine Sitzbank), 2 Raupen nebeneinander und eine Karosserie mit Türen zum Einsteigen. Wahnsinn!!!

Was nun essen ? Ich frage JC, was denn wohl zu empfehlen ist, und wähle ein Clubsandwich- Toastbrotecken aufgespießt mit Schinken und Käse – mit Frites. Ingo schließt sich mir an. Werner reicht eine Nudelsuppe aus, die auch JC bestellt, wobei er noch Salat und natürlich einen übersüßen Nachtisch ißt. Dazu noch `ne Cola 351 ml.
Wie uns Werner übersetzt, will JC eigentlich abnehmen. Aber nachdem, was er jedes Mal verdrückt, muss er ihn wohl falsch verstanden haben. Im September will JC heiraten, erzählt er uns, wobei ihm plötzlich einfällt, dass seine Freundin heute Geburtstag hat!
Kurz vor unserem ersten Nachtquartier sehe ich in ca. 150 Meter Entfernung zwei gräuliche Gestalten, es sind Wölfe! Als ich dieses später erzähle, bekomme ich von allen ein Lächeln zurück.
Dann, gegen 17:00 h, tanken und in die an einem See gelegenen Lodge eingekehrt. Die Auberge du Golf Nominingue am gleichnamigen See gehört der staatlichen Forstverwaltung und wird von einer Gruppe junger Forstaufseher bzw. Studenten bewirtschaftet. Am Abend ist dies ein junges Paar; er ein Schweizer mit verfilzten Rastazöpfen, den Ingo gleich Mopppudel nennt (er weiß noch nicht, dass dieser deutsch versteht!) Am Morgen kommen dann zwei andere junge Leute.
Als Abendessen wird ein Vorspeisensalat und anschließend Dosenrindfleisch mit Reis und grünem Spargel serviert. Ein pappsüßer brauner Zuckerkuchen, also das richtige für mich, beendet das Menue. Und JC freut sich wieder über die zusätzlichen Portionen. Eine geschmacklich ansprechende, gesunde und kräftige Hausmannskost – und die Portionen mehr als ausreichend. Lässt man die in der Regel sehr süßen, kalorienreichen Desserts weg und trinkt man wenig Alkohol, bleibt man trotz der großen Portionen hervorragend in Form.
Vermutlich beobachten uns durch die großen Panoramafenster im hell erleuchteten Gastraum bereits die von mir gesichteten Wölfe und knobeln untereinander aus, wer von uns das Frühstück, das Mittagessen und das Dinner sein wird.
Nachdem Globetrotter-Adventures die Lodges stets komplett reserviert, sind wir vier die einzigen Gäste, und nachdem die Schweizer gegangen sind, auch die einzigen Bewohner. Wir haben zwar unsere Ruhe, aber diese kann manchmal auch zuviel werden. Um 21.30 Uhr ziehen wir uns dezent in die Zimmer zurück. Ich in mein unten liegendes Doppelbett und Ingo in das obere schmale Bett. Tja- Alter vor Schönheit. Die Nacht ist sternenklar, eiskalt und vom fahlen Licht des Vollmondes erhellt und ich.....müüüüüüde.



2.Fahrtag Montag, 08.03.04
(Lac Nominingue–Mitchinamecus Stausee) 127 Meilen / 203 km

Wieder eine Nacht, in der Ingo nicht geschnarcht hat. Der Tag beginnt erneut mit einem kräftigen Frühstück aus Speck mit Ei, Bratkartoffeln und Toast. Zusätzlich ist ein kleines Frühstücksbuffett aufgebaut, dass von einem überdimensionalen Toaster begrenzt wird. Nach dem obligatorischen Warmlaufen der Motoren und dem Freilaufen der Raupen starten wir bei herrlichem Sonnenschein in den neuen Tag.
Dieser hält bereits nach ca. 15 Minuten die erste Herausforderung für uns bereit. An einer Kuppe ist der Waldweg mit einem dicken glänzenden Eispanzer überzogen. Auf der rechten Seite wird dieser von einem großen Wasserloch begrenzt. Auf der linken Seite geht es steil eine tiefe Böschung hinunter. Ingo versucht, auf der Eisplatte zu bremsen und kommt prompt in eine leichte Drehung in Richtung Böschung. Trotz verzweifelter Gasstöße und Lenkmanöver rutscht er unaufhaltsam rückwärts der Böschung entgegen. Glücklicherweise verändert die Maschine dabei leicht die Richtung, so dass Ingo rückwärts gegen einen Erdwall rutscht, gerade einmal 60 cm bevor es den Abhang hinab geht! Werner und ich halten an und schieben mit Ingo unter kontrollierter Gasdosierung den Bock sicher übers Eis. Nun sind Werner und ich gewarnt und wir fahren langsam, ganz langsam.

Auf schmalen Trails, überwiegend zwischen tief verschneiten Bäumen, geht es hurtig voran. Zweimal sehen wir abseits des Trails Wapiti-Hirsche zwischen den Bäumen stehen. Diese laufen jedoch nicht vor uns weg, sondern beobachten neugierig die lärmenden Störenfriede. Erst nachdem der letzte Motor verstummt ist, springen die Tiere mit ihrem großen, weißen Hinterteil zwischen den Bäumen davon. Wie uns JC bestätigt, bleiben die Tiere tatsächlich stehen, solange ein Motor läuft. Erst bei völliger Stille bzw. sobald man die menschlichen Stimmen und Geräusche vernehmen kann oder auch wenn keine 2-Taktabgase die menschliche Witterung mehr überdecken, flüchten die Tiere.

An einer riesigen Wasserlache, die sich quer über den Trail erstreckt, nur bedeckt mit einer dünnen Eisschicht, lernen wir in der Praxis, was uns JC schon in der Theorie erzählt hat. Nämlich dass ein Schneemobil auch floaten, also übers Wasser fahr kann. Also mit Vollgas über das berstende Eis und durch das Wasser gerauscht. Entlang der breiten Schneise einer Hochspannungsleitung fahren wir zum ersten Mal abseits der Piste durch welliges Gelände im unberührten Schnee. Da kommt Freude auf! Von einem Hügel aus können wir eine Farm mit einer großen Bisonherde beobachten. Leider hat der Besitzer die Annäherung von Schneemobilen verboten, da durch den Lärm die Tiere aufgeschreckt und durch den Stress das Fleisch hart würde. Nachdem wie in den USA auch in Canada der Privatbesitz eine der "heiligsten Kühe" ist, sollte man die Warnung des Farmers und seine Schrotflinte ernst nehmen. Also bleiben wir auf Abstand und beobachten aus der Ferne.
Der nächste Nervenkitzel ist eine Steilabfahrt zu einer halb verfallenen schmalen Holzbrücke, gerade so breit wie die Kufen der Maschinen, die mit Schwung genommen werden will. Für "alte mutige Schneemobilisten" (im Gegensatz zu Fliegern gibt es diese – wir zum Beispiel!) kein Thema. Die Mittagspause verbringen wir in einem rustikalen Restaurant am Ufer eines großen Sees. Es gibt nur Einheitsessen: Tomatensuppe mit Reis, und anschließend eine Art Gulasch mit Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln. Für Ingo nicht gerade das Richtige, aber Werner reicht wieder einmal nur die Suppe. Mir schmeckt es. Die Hütte ist richtig rustikal eingerichtet. Und was sehe ich dann an einer Wand? T-Shirts mit Wölfen abgebildet. Gottseidank schon mal etwas für meine Tochter Annika als bestelltes Mitbringsel. Robin, mein Sohn hat sich einen Wolfs- oder Bärenzahn gewünscht. Auch diesen finde ich hier.

Nach dem Essen erklärt uns JC, warum er teilweise vor dem Befahren eines Sees erst dessen Tragfähigkeit prüfen würde und weshalb wir bei Seeüberquerungen besser seiner Spur folgen sollten. Eigentlich besteht die Eisschicht aus 2 Lagen. Die unterste Schicht ist das etwa 80-150 cm dicke Basiseis. Durch dessen Gewicht wird Wasser auf die Eisfläche gedrückt. An dessen Oberfläche bildet sich wiederum eine Eisschicht, oft mit Schnee überdeckt. Diese ist jedoch dünner als das Basiseis und kann bei steigenden Temperaturen einbrechen. Dann steht man in einem Gemisch aus Eis, Schnee und Wasser, dem Eismatsch. Fährt man mit dem Schneemobil über eine eingebrochene Stelle oder bricht unter einem das Oberflächeneis ein, dann gibt es nur eine Rettung, nämlich mit Vollgas darüber hinweg bzw. heraus. Andernfalls hat man das zweifelhafte Vergnügen, bis zu den Knien im Eismatsch stehend die Maschine herausziehen zu müssen, soweit es man Glück hat und wirklich Basiseis vorhanden ist. Dann hilft für den Fall der Fälle nur noch schwimmen und ein Eistaucher zur Bergung des Bocks. Da ich als letzter fahre, bin ich dem Hinweis dankbar und werde es schon bald einsetzen müssen.
Nachdem wir gut in der Zeit liegen, schlägt JC anstelle des direkten, relativ kurzen Weges einen wesentlich größeren Bogen in nördlicher Richtung bis zu unserem Nachtquartier vor, was wir gerne annehmen.

Vor der Weiterfahrt wird noch getankt und wir sehen uns noch kurz die Gebilde an, die wir auf der Hinfahrt sehen haben, aber nicht deuten konnten. Es sind schwarze Plastikfässer, die an einer Seite aufgeschnitten sind. Vor und in einigen Fässern liegen Huskys, die hier ihr Zuhause haben.
Dann wieder mit Vollgas auf die Piste – zumindest für 5-15 Minuten, denn heute ist Fototag. An allen möglichen und unmöglichen Stellen wird gehalten, fotografiert und gefilmt was das Zeug hält. Direkt nach einer Linkskurve höre ich Geräusche, die nichts Gutes bedeuteten können. Sie kommen von Werners Bike. Zunächst können wir nichts feststellen, aber das geschulte Gehör von JC fixiert sich gleich auf den Keilriemen. Dieser, sitzend zwischen Motor und Getriebe, hat etliche Zähne "verloren" und muss gegen einen als Ersatzteil am Fahrzeug mitgeführten Keilriemen ausgetauscht werden. Klugerweise bestellt JC per mitgeführtem Satellitentelefon gleich 2 neue Ersatzriemen, die aus einem Ersatzteildepot der Holzfäller kommend an der übernächsten Station für uns deponiert werden. Die Sonne ist bereits hinter den Baumwipfeln verschwunden, als wir die Scott Outfitter Lodge am Mitchinamecus Stausee erreichen. Nach dem Tanken fahren wir vor unsere Hütte Nr. 3. Ingo und ich sehen so über den See zum Sonnenübergang und überlegen, ob wir diesen noch fotografieren können. Ich sehe zum anderen Ufer des Sees rüber und denke, da ich noch rötliches Licht sehe, könnte es klappen. Also Schlüssel rum, Gas geben und,....ja ich hab ihn im Kasten - einen Supersonnenuntergang, dessen rötlich schimmerndes Licht sich im unberührten Schnee des Sees spiegelt.
Die Einrichtung unserer Hütte ist äußerst "spärlich", aber funktionell. Die Blockhütten sind mit Dusche, Toilette und einer kleinen Küche mit Essecke ausgestattet. Das Abendessen nehmen wir im Zentralgebäude ein. Als Vorspeise stehen zur Auswahl eine Suppe oder Schnecken – wir entscheiden uns alle für die Suppe - Fleisch mit Kartoffeln und ein Schokoladenpudding, welcher selbstverständlich wieder süß ist, also rüber geschoben zu JC.
Kurz nach uns stürmt ein Haufen ungehobelter, unsympathischer Franzosen den Gastraum und beginnt sofort ungeniert zu lärmen. Am schlimmsten sind die lautstark "parlierenden" Weiber. Die Gruppe ist für eine Woche im Camp einquartiert und unternimmt Tagesausflüge in die Umgebung. Im Vergleich zu unserer Tour eine langweilige Angelegenheit.

Im Gastraum machen wir Bekanntschaft mit dem "Kick-Dog", einer kleinen, pummeligen, undefinierbaren Promenadenmischung aus Pudel und irgendwas, die von allen permanent zur Seite geschoben, also gekickt wird. Deshalb der Name Kick-Dog. Er ist zu nichts zu gebrauchen, einfach nur da.

Nach dem Essen ziehen wir uns in den angrenzenden "Salon" zurück und sehen uns ein Video über „Schneemobil- Extrem“ an. Gezeigt wird neben anderen akrobatischen und völlig verrückten Stunts der bisher einzige Rückwärtssalto mit einem Schneemobil. Ingo und ich haben uns erst einmal eine gute, dicke Zigarre und ein Bier (Can$ 6,-/Flasche) gegönnt. An der Ausgangstür des Salon sind viele Aufkleber, die mich auf die Idee bringen, unseren Firmenaufkleber „Wir machen Aufbauten“ auf der Tür zu plazieren. Man bedankt sich sogar freundlich bei mir!
Wie gewohnt, holt uns kurz vor 22:00h die Müdigkeit ein. Also ab in die Blockhütte. Da wir nur einen Ofen im Vorraum haben, lassen wir die Türen offen - und siehe da- Werner schnarcht auch nicht!



3. Fahrtag - Dienstag, 09.03.04
(Mitchinamecus Stausee – Lac du Repos) 103 Meilen / 165 km

Das Frühstück fällt im Vergleich zu allen anderen mit nur zwei Krümeln Rührei, ein paar verkümmerten Speckstreifen und vermutlich einzeln abgezählten Kartoffelwürfeln zwar gesund, aber recht spärlich aus. Wir sind froh, dass es bald wieder auf die Piste geht. Nicht nur Ingo, auch mir reicht es diesmal nicht aus.

JC merkt schnell, dass wir ein gutes Team sind und gut zusammen halten. Deshalb steigert er auch immer mehr das Tempo und die Wege werden extremer, mit mehr Schwierigkeitsgraden der Pisten und insbesondere der Anteil der Abschnitte in ungespurten Terrains wird größer. So schlägt er uns vor, heute die ursprünglich geplante Route zu verlassen und über möglichst viele Seen abseits der Piste das nächste Ziel anzusteuern. Wir stimmen selbstverständlich begeistert zu. Zuerst sind heute morgen jedoch Fahraufnahmen mit der Videokamera auf dem See vor der Haustür angesagt. Wir haben dies bereits am Abend besprochen, was JC aber nicht so richtig gefällt! Aber wir haben ja Werner. Er sagt zu JC: “What we have, we have”, also wieder durchgesetzt.
Die unberührte Schneefläche sowie der wolkenlose Himmel laden geradewegs dazu ein. Ich lege mich in den Schnee und filme, wie Werner auf mich zurast. Dieses Geräusch, einfach super! Dann sind Ingo und ich an der Reihe und Werner filmt uns, wie wir links und rechts eng an ihm vorbei sausen.
Danach wird erst einmal ein Stück gefahren. Die Betonung liegt auf „ein Stück“, bis zum nächsten See. Da hat Werner wieder eine Superidee. Er fährt und ich und Ingo setzen uns abwechselnd rückwärts mit der Kamera bewaffnet hinter ihn und filmen den anderen, wie er beim Kreuzen mit dem Snowmobil durch den noch unberührten Schnee Gas gibt. JC sagt nur:“ Crazy Guys.!“ Er nimmt es gelassen hin, weiß aber da noch nicht, dass seine Geduld heute noch auf eine harte Probe gestellt wird, denn dies wird DER Fototag der gesamten Tour. Andererseits weiß JC inzwischen auch, dass wir verlorene Zeit durch eine zügige Gangart wieder aufholen können. Außerdem ist das Quartier gebucht und nichts und niemand treibt uns zur Eile! Uns nicht!

JC, Ingo und Werner halten in einer Senke und dazu noch in einer Kurve, um einen dort auf den See abzweigenden Trail auf der Karte zu prüfen. Also genau dort, wo man laut JC`s Einweisung zu Beginn der Tour nicht halten sollte. Ich bleibe deshalb oben auf der Kuppel stehen. Und plötzlich kommt, was kommen musste: Eine ganze Horde wild fahrender Schneemobilisten kommt uns aus der Kurve geschossen entgegen. Der 5. oder 6. Fahrer mit Sozius hält sich wohl auf Grund zu hoher Geschwindigtkeit nicht an das Rechtsfahrgebot und steuert direkt auf das Snowmobil von JC zu. Beim Versuch, auszuweichen, kippt er um. Der Fahrer stellt sich sofort wieder hin, doch die Sozia bleibt liegen und hält sich den rechten Fuß fest. Tja, denke ich, das war’s wohl mit dem Knochen. JC kümmert sich sofort um die Frau. Doch kurz nachdem die Meute den Bock wieder aufgerichtet hat, steht auch die Frau unter Applaus wieder auf.
Wir fahren nun erst einmal die Bikes von der Piste in Richtung See. Bei der Prüfung des umgekippten Snowmobiles wird festgestellt, dass das linke Federbein gebrochen ist. Pech gehabt! Das war es mit der Tour für Fahrer und Mobil. Aber ich weiß nun, warum ich noch in Deutschland für € 80,- die Zusatzversicherung ohne Selbstbehalt abgeschlossen habe. Denn in Canada bezahlt jeder seinen Schaden selbst, egal wer Schuld ist.

Wir setzen bei traumhaftem Wetter unseren Weg über unberührte Seen mit im Sonnenlicht wie Diamanten glitzernder Schneedecke fort, fahren auf verschlungenen abenteuerlichen Pfaden, die gerade einmal so breit wie die Maschinen sind, zwischen den Bäumen durch die Wälder und erreichen mittags die kleine Siedlung Manawan. Vom See auf die Straße fahrend, sehen wir als erstes eine Polizeistation mit einer Vielzahl von Einsatzfahrzeugen vor der Tür. Gegenüber liegt die Tankstelle mit angrenzendem Supermarkt. Dieser ist rundum an allen Fenstern und Türen wie ein Gefängnis schwer vergittert. Hunde und Indianer-kinder lungern auf der Straße herum und betteln. Tja- so ist es also in einem Indianerreservat! In der einzigen Snackbar des Ortes, die offenbar von einem der wenigen geschäftstüchtigen Indianer bewirtschaftet wird, machen wir Rast. Ein Poster an der Wand kündet vom neu erwachten Selbstbewusstsein der Ureinwohner. Die auf indianisch und französisch geschriebenen Verse kann natürlich nur Werner deuten und übersetzt wie folgt:

"Sagt Ihnen,
dass wir Ihnen niemals unser Gebiet überlassen haben,
dass wir es Ihnen niemals verkauft haben,
dass wir es niemals eingetauscht haben.
Ebenso haben wir niemals jemand anderen mit Angelegenheit,
die unser Gebiet betreffen, beauftragt."
-César Néwashish, 91 Jahre, Ältester der Atikamekw 7. April 1994-

Wir essen Hamburger mit Pommes, ja, sogar Werner (ohne Pommes). JC hat wieder ohne Einblick in die Karte Salat , Toastbrot und- na was wohl- süßen Kuchen zum Nachtisch bestellt. Ingo sieht nur seinen Burger und sagt:“ ...wenn das der Big Burger ist, wie groß soll denn dann der normale Burger sein?“ Werner meint trocken:“ Das ist die Rache des roten Mannes; er läßt die Weißen einfach verhungern.“

Der Nachmittag bringt viel Abwechslung, erstmals mit einem freien Blick über die Landschaft. Selbstverständlich gibt es wieder eine Fotosession! JC hat viel Spaß in einer der freien Natur entsprungenen "Halfpipe“. Ein Stück weiter macht Ingo den ersten unfreiwilligen "Abstecher". Er kommt von der 1,5 Meter breiten, festgefahrenen Strecke ab und kippt in den Tiefschnee! Im hüfthohen Schnee bleibt er stecken. Da hilft nur gemeinsames Ausgraben und Ziehen. Wir ziehen und Ingo betätigt den Gashebel. Etwas zu zaghaft, wie wir meinen. Wir rufen: "Gas, Gas", und- schwupps- macht der Bock aus dem Loch heraus einen Satz über die Spur hinweg, geradewegs hinein in den Tiefschnee auf der anderen Seite! Wir liegen vor lauter Lachen im Schnee und halten uns die Bäuche. Mit vereinten Kräften kommt die Maschine dann wieder in die Spur. Nur gut, dass JC, der bereits ein Stück vorausgefahren ist, davon nichts mitbekommen hat. Dies ist übrigens das erste Mal, dass einer von uns stecken geblieben ist, aber es soll wohl nicht das letzte mal gewesen sein. Wir erfreuen uns im weiteren Verlauf der Strecke an der herrlichen Landschaft, dem blauen Himmel, der strahlenden Sonne, dem glitzernden Schnee und einem mit hohen Tannen gesäumten verträumten See. Dessen Eis ist bereits teilweise getaut und das Schmelzwasser ergießt sich gurgelnd in einen Wildbach. Laut Werner fehlen nur noch ein Liegestuhl, ein Bier und ein paar nette Mädels.

Oberhalb einer Lodge machen wir Halt, damit JC den richtigen Weg erkunden kann. Während des Wartens sage ich zu Ingo: „ Wenn wir das nächste Mal Zeit haben und genug Schnee da ist, bauen wir uns eine Sprungschanze.“ Ingo und Werner rufen mir zu: „Warum bauen, hier ist doch eine!“ Wir beschließen, Ingos Bock in Stellung zu bringen und ein Fotoshooting in Flugstellung abzuhalten. Ich bin als letzter an der Reihe und Ingo sagt zu mir: „Bring den Bock gleich mit runter!“ Also gestartet und Kickdown und da war es wieder - das Gefühl - gekoppelt mit den Bildern des Stuntvideos! Also auf mein Moped gewechselt, Ingo mit Video und Werner mit Fotoapparat ausgerüstet und ich wieder hoch – Gas- und runter! Mhhh- nicht wie im Film geflogen, aber immerhin, ein paar Meter waren es schon. Vom Adrenalin angepeitscht bin ich wieder hoch , von einer geringeren Höhe, jedoch mit zuviel Geschwindigkeit runter, gebremst und gebremst, aber Ingos Maschine kommt immer näher! Instinktiv, was natürlich falsch ist, will den seitlichen Aufprall durch Abbremsen mit dem Bein verhindern. Mit Erfolg, denn die Maschinen bleiben heile! Wenn dann da nicht der schmerzhafte Bluterguss an meinem linken Oberschenkel gewesen wäre, mit dem ich den Aufprall abdämpfe! Glücklicherweise hat JC davon wieder mal nichts mitbekommen.

Am Spätnachmittag erreichen wir ohne weitere Zwischenfälle das noch aktive Holzfällerlager Pourvoirie du Lac du Repos am gleichnamigen See. JC deutet gleich auf die Beschriftung der Tankstelle, oder besser gesagt, ein Ort, an dem man von einem großen Behälter Kraftstoff in einen kleineren Behälter und dann ins Snowmobil überfüllt. Durch Benzindämpfe oder durch zuviel Alkohol bei der Schreibarbeit benebelt, wurde aus dem geplanten "Gasoline" ein "Sasoline". Mit dem Verbot von Feuer und offenem Licht an Tankstellen scheint man es hier auch nicht besonders genau zu nehmen, denn abgesehen davon, dass derjenige, der uns betankt, dieses mit einer Zigarette im Mund macht, ist eine Glühlampe mit unisoliertem blanken Kabel direkt an dem Zapfpunkt montiert!

Das Camp der Lumberjacks, so werden dort die Holzfäller genannt, wird mit Abstand das interessanteste und beste Quartier auf der gesamten Tour. Bevor wir die rustikale Holztreppe zu unseren Zimmern hochgehen können, werden wir freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen, unsere Boots auszuziehen. Ingo und ich nehmen sofort das erste Zimmer links. Also die Klamotten aufs Bett geworfen. Wie immer bin ich so frei und belege das größere der beiden Betten. Doch wo ist denn der Lichtschalter? Es gibt keinen! Alle Zimmer werden nur mit einer Gaslampe ausgeleuchtet. Naja, ausgeleuchtet ist sicher übertrieben. Ich würde mal sagen, mit dem Licht kann man das Bett vom Stuhl unterscheiden. Nun erst einmal in eine der beiden Duschen, welche genau wie das Klo nur mit einer Holzlamellentür verschlossen ist. Nach der Erfrischung dann schon ein halber Herzstillstand. Wenn jetzt hier auch keine Steckdosen zum Aufladen der Kamerabatterien sind, dann hat sich das Fotografieren erledigt. Doch direkt neben dem Waschtisch ist gleich eine Doppeldose, die wir drei bis zum Morgen belegen!
Unten sitzen einige Lumberjacks und essen, trinken Cola und haben Spaß. Sicherlich haben sie sich über uns unterhalten und ihren Spaß daran , dass wir, wie Japaner, mit der Digitalkamera alles in der Hütte fotografieren! Einige andere sitzen oder liegen auf Sofas und sehen Fern. Schon komisch, über was die beim Fernsehen alles lachen.

Zum Abendessen wird eine Pilzcremesuppe, Gulasch mit Kartoffeln, Salat und als Dessert eine Art Tiramisu serviert. Ingo und ich verzichten wie immer auf den Nachtisch, aber da sogar Werner diesen mit Wohlwollen ißt, muß er ausnahmsweise sehr schmackhaft gewesen sein. JC leckt, wie erwartet, die große Schüssel förmlich aus.
Ach ja, Ingo ist der Meinung, dass das Hauptgericht nicht einmal sein Hund essen würde. Ich muss zugeben, dass es wirklich wie Hundefutter aus der Dose aussieht! Aber einfach Pfeffer und Salz drüber, denn der Hunger treibt ja bekanntlich alles rein.
Und dann das noch - Ingo traut seinen Augen nicht, als uns das bestellte Bier in Kaffeebecher serviert wird! Uns wird erklärt, dass kein Flaschenbier ausgeschenkt werden darf, denn für die Nacht hat sich eine Polizeistreife auf Schneemobilen angesagt. Angeblich ist der Alkoholverkauf limitiert, da sich das Camp innerhalb des Indianerreservats befindet. Da fällt mir doch gleich noch ein, was uns JC auf der Fahrt im Van von Montreal nach St. Come erzählte. In Canada gibt es 18000 km Autobahn, welche von 6000 Polizisten kontrolliert werden. Dagegen gibt es 25000 km präparierte Snowmobil Trails die von 15 Polizisten kontrolliert werden.

JC hat sich tagsüber öfter übers Satellitentelefon bei seiner Basisstation über die besten Strecken erkundigt und dabei auch erfahren, dass sich die Schnee- und Pistenverhältnisse der für die beiden nächsten Tage geplante Etappen durch die intensive Sonneneinstrahlung bereits merklich verschlechtert haben. So schlägt er vor, die ursprünglich geplante Route zu verlassen und einen Abstecher in nördliche Richtung, überwiegend abseits der Trails, die er selbst zuletzt vor 3 Jahren oder bisher überhaupt noch nicht gefahren ist, einzuschieben und eine zweite Nacht bei den Lumberjacks zu verbringen. Er würde auch versuchen, seinen indianischen Freund aus Manawan, ebenfalls ein Tourguide, dazu zu überreden, uns zu begleiten und zu führen. Nach einem Telefonat mit seinem Indianerfreund teilt uns JC mit, dass dieser mitkommen wird, wenn wir für sein Benzin aufkommen würden. Wir willigen begeistert ein! Außerdem hat der Boss der Holzfäller uns versprochen, dass wir am nächsten Tag seinen Trupp bei der Arbeit im Wald besuchen dürfen, was eigentlich nicht selbstverständlich ist. JC erzählt eine kleine Anekdote von einer der vorangegangenen Touren mit seinem indianischen Tourguide. Eine Dame fragte ihn, ob er ein echter Indianer wäre. Er antwortete mit ja. Darauf hin fragte sie ihn, wo er denn seine Federn hätte. Die trockene Antwort war: „Madam, ich bin Indianer, und kein Vogel.“

Es ist nun ca. 21:30 h und der Hausherr zündet unten eine Gaslampe an. 5 Minuten später weiß ich auch, warum. Der Stromgenerator wird nur morgens von 5:00 h bis abends spätestens 22:00 h betrieben. Die Lumberjacks gehen nun vereinzelt ins Bett. Nur noch wenige sitzen auf den Sofas neben dem auf Hochtouren bollernden Holzofen und sehen fern. Wie raffiniert, denn der Fernseher wird über eine LKW-Batterie weiter betrieben.



4. Fahrtag - Mittwoch, 10.03.04
(Lac du Repos Rundkurs) 127 Meilen / 203 km

Als ich am Morgen um 06:30 h zum Duschen gehen will und unsere Zimmertür öffne, steht er vor mir: der wahrhaftige Cäsar in seinen Gewändern!
Ich frage: „Werner, was machst du denn hier auf dem Flur?“ Da war er, worauf ich zu Beginn schon hingewiesen habe, der Trick mit der Tür, von dem uns Werner am ersten Abend erzählte. Werner erzählt mir, dass er um 4:30 h nur mit Pullover und Slip bekleidet auf die Toilette gegangen ist. Als er zurück ins Zimmer gehen wollte, stellte er fest ,dass die Tür nun verriegelt war, und natürlich hatte er keinen Schlüssel dabei! Er habe unten nach Schlüsseln gesucht, ist aber nicht fündig geworden. Dann erinnerte er sich an ein Regal neben der Dusche, in dem das Bettzeug gelagert war. Also hängte er sich ein paar Laken um und legte sich zum Schlafen unten auf das Sofa. Als die Lumberjacks, die übrigens 24 Stunden arbeiten, morgens um 5:30 h herunter kamen, konnte er mitbekommen, dass die wirklich Spaß daran hatten, wie unser Werner da so unter lag und schlief bzw. sich dann schlafend stellte.
Ich zeige Werner meinen Schlüssel und erkläre ihm, wo diese hängen. Dann geht es zum Frühstück. Wie jeden morgen bin ich der erste und organisiere mir erst einmal einen großen Becher Kaffee. In Deutschland habe ich immer gelesen, dass das Frühstück in Canada in Ordnung und reichhaltig ist, man vom Kaffee jedoch nichts erwarten dürfte - er wäre sehr dünn. Das werden wohl auch die Canadier gelesen haben, denn egal wo wir hinkommen, der Kaffe schmeckt überall super. Da kenne ich aus Holland anderen Kaffee.

Die nette Tochter des Hauses erkundigt sich nach unseren Frühstückswünschen. Ingo hat offenbar wieder von Bären geträumt und deshalb auch einen entsprechenden Hunger entwickelt. Er bestellt die größte verfügbare Portion. Ich bestelle mir Ei mit Speck, Toastbrot und Frenchtoast und Werner begnügt sich mit Pain d´Ori. Wir trauen unseren Augen kaum, als Ingos Frühstück serviert wird. Eigentlich ist dies die Kombination aus Frühstück, Mittag- und Abendessen, bestehend aus 2 Eiern, 2 Bockwürstchen, einem Berg Speck, 2 Käsescheiben, einer großen Portion gewürfelter Frites, Ahornsirup, Marmelade, mehreren Scheiben Toast und einem Teller braune Bohnen. Na denn, wohl bekomm´s!

Gegen 9:00 h starten wir dann zur Arbeitsstätte der Lumberjacks. Über teilweise chaotische Wege und über im wahrsten Sinne der Worte Stock und Stein nähern wir uns auf Holzfällerstraßen deren Arbeitsplatz. Kahlgeschlagene Hügel und endlose Stapel an gefällten Bäumen säumen unseren Weg. An dessen Ende sind vier überdimensionale Maschinen im Einsatz. Außer den Fahrern können wir nur noch einen Vorarbeiter erkennen. Die anderen Holzfäller aus unserem Camp sind an anderen Stellen aktiv. Ein Raupenbagger mit einem Vorsatz zum Greifen und Abschneiden der Bäume erledigt das Holzfällen. Der ganze Vorgang sieht so spielend einfach aus und geht so schnell, als würden Getreidehalme und keine 20 Meter hohen Bäume geschnitten. Zwei Caterpillars ziehen die Stämme zu Sammelplätzen. Ein anderer Spezialbagger greift jeden Stamm auf, entfernt ruckzuck die Äste, schneidet die Baumwipfel ab und legt die Stämme sortiert nach Stärke auf den entsprechenden Stapeln ab. Alle Arbeiten gehen zügig voran. Man gewinnt den Eindruck, als würden die Holzfäller nach Akkord bezahlt, was im Prinzip ja auch zutrifft. Während wir staunend dem Schauspiel folgen, kommt wie vereinbart Regis, unser indianischer Führer, auf seinem Schneemobil angefahren. Sein einziger abfälliger Kommentar: "Le massacre dü foret", was soviel heißt, wie: das Massaker des Waldes.

Ab jetzt übernimmt Regis die Führung und will uns wohl gleich beweisen, was ein echter Indianer ist. War JC in den beiden letzten Tagen schon flott vorne weg gefahren, so legt Regis nun nochmals einen, sagen wir besser, mehrere Gänge zu. Offenbar hat er, so wie er über Straßen und Kreuzungen fegt, Sehnsucht nach einer persönlichen Begegnung mit Manitu und den ewigen Jagdgründen. Vielleicht will er uns aber auch nur die Leistungsfähigkeit seiner Maschine demonstrieren. Immerhin geht sie nach seinen Angaben über 180 km/h. Wir folgen, so gut wir können. Regis führt uns abseits der Piste auf noch jungfräuliche, ungespurte Trails, über unbefahrene, endlose Seen, deren Tragfähigkeit nur er kennt, und auf Schleichpfaden durch die Wälder. Erst ein umgestürzter Baum quer zum Pfad bremst seinen Vorwärtsdrang. Mit vereinten Kräften werden die Äste umgebogen, um die Maschinen daran vorbei zu manövrieren. An einer Abfahrt zu einem See verpasst Ingo die Rechtskurve und rauscht geradeaus in den Tiefschnee. Schon wieder also Ingo - aber er wird nicht der Einzige bleiben. Wieder einmal ist das allseits beliebte Schneemobilausgraben angesagt. Schade, dass ich letzter bin und die Bergung filmen muß! Wie gerne hätte ich mich doch durch den Tiefschnee gequält und geholfen!!!

Zur Mittagspause haben wir dann eine Gaststätte mit Tankstelle angefahren. Die Dame zeigt uns ihre Räumlichkeiten und teilt uns mit, dass das Restaurant im Winter geschlossen ist. Es sieht wirklich aus, wie im Saloon einer Geisterstadt. So geht sie in einen Schuppen und wirft den Generator an, damit wir wenigstens tanken können.
Vom Hunger getrieben rasen wir nun volle Kanne ca. 40 km zur nächsten Logde, die an einem See liegt. Dort finde ich dann auch endlich einen passenden Indianerschmuck für meine Frau. Ingo und ich wollen nur noch eins: Fleisch zum Zerbeißen!!! Also wählen voll freudiger Erwartung das Hamburger-Steak. Die Bedienung kommt nach der Bestellung an unserem Tisch vorbei und nuschelt etwas auf französisch. Werner übersetzt mir, sie habe gesagt, dass der Küchenbulle keine Lust hätte, die Hamburger zu machen. Tja, und genau so schmecken Sie dann auch. Muss wohl eine ausgekochte Mokkassinsohle gewesen sein. Das war dann also wieder nichts mit Fleisch....
Werner, JC, Regis und entscheiden sich für die Plat du Jour, eine Suppe, gefolgt von asiatisch angehauchten Frühlingsröllchen und Reis mit Huhn. Ist aber auch nichts zum satt werden.
Vom Dessert – einem Fruchtkuchen - fühlen sich nur JC und Regis angesprochen. Wir begnügen uns mit Kaffee.

Werner unterhält sich während der Mittagspause angeregt mit Regis. Er übersetzt uns, dass er zum Stamm der Atikamekw, einer Untergruppe der Algonkin-Indianer gehört. Regis ist Tourguide und Musiker. Er macht in historischen Gewändern traditionelle indianische Trommel-Musik; außerdem spielt er noch Gitarre. Vor 3 Jahren war er eine Woche lang im Sommer in der Schweiz auf Tournee. Pfiffig wie Indianer nun einmal sind, gibt er Werner vor der Weiterfahrt noch seine Business Card, mit der Bitte, ihm die Bilder des heutigen Tages zu schicken. Morgen wird er eine Gruppe erfahrener amerikanischer Schneemobilisten übernehmen. Sie werden viel Spaß haben, da für die nächsten Tage Pulverschnee vorhergesagt ist. Im tiefen Pulverschnee soll man laut Regis mit dem Schneemobil wie mit einem Jetski fahren können. Allein diese Option wäre eine Wiederholung dieser Abenteuertour wert!

Wieder einmal macht Werner`s Keilriemen verstärkt Geräusche und muss ausgetauscht werden.
Weiter geht es über Seen. Brav wie wir sind, fahren wir alle hinter einander, so wie es uns gesagt wurde. Als erster Regis, dann Ingo, Werner, ich und JC. Regis mit seiner Rennkarre gibt wieder mal Gas. Ingo fährt für mein Dafürhalten etwas langsam, weshalb auch Werner und ich nicht Vollgas geben können. Plötzlich sehe ich, wie sich unter Ingo das Eis auftut. Nun bleibt Werner nichts anderes über, als Vollgas zu geben. Mit dem Erfolg, dass jetzt nicht nur durch den Gummiraupenantrieb das Eis komplett aufgerissen wird, sondern durch das Pendeln des Hinterteiles die offene Spur auch immer breiter wird. Nun ist es wirklich soweit – ich fahre Wasserski!
Mein Gedanke ist - nur noch aus der Spur raus! JC fährt mittlerweile schon neben mir und faßt sich an die Stirn. Mit Vollgas rase ich direkt auf Werner zu und kann erst kurz vor dem Andocken endlich auf das feste Eis gelangen. Nun rase ich an allen links vorbei und reihe mich direkt hinter Regis ein, der gerade vom See auf einen Weg fährt. Gottseidank, Karre nicht versenkt!!!!!

Wieder über einen der endlosen Seen gefahren, halten wir plötzlich an. Regis will alleine vorfahren und die Tragfähigkeit des Eises testen. Als er nach 10 Minuten nicht zurück kommt, macht sich auch JC auf den Weg und ruft uns nur noch zu: „I´ll let him know that everything is o.k."
Die Zeit nutzen wir sinnvoll und machen wieder einmal Fotos. Ingo und ich werden von Werner mit unseren ESV – Caps in cooler Position auf dem Mopeds sitzend fotografiert. Nachdem wir unsere Bilder im Kasten haben und auf die Uhr sehen, werden wir doch so langsam unruhig, denn auch JC kommt nach über einer halben Stunde noch nicht zurück. Wir stellen schon die wildesten Spekulationen darüber an, was den beiden wohl passiert sein könnte und was uns wohl passieren wird bzw. wir unternehmen sollen, wenn wir ganz auf uns allein gestellt bleiben. Immerhin ist es bereits 16.30 Uhr und die Sonne bedenklich weit gesunken. Nach über einer halben Stunde sehen wir endlich am Horizont einen hüpfenden Lichtpunkt auf uns zukommen, der schnell größer wird. Es ist JC. Er sagt uns, dass Regis ein technisches Problem hat und wir ihm nun folgen sollten.

Mit Höchstgeschwindigkeit, d.h. bis zu 100-120 km/h geht die wilde Jagd nach Süden - über kilometerlange Seen, Uferböschungen hinauf und hinab. An den wenigen Stellen, an welchen das Oberflächeneis eingebrochen ist, fegen wir mit Vollgas durch den Eismatsch und übers Wasser. Wo die Eisdecke auf langer Strecke nicht mehr sicher genug erscheint, wird auf die Böschung zwischen Seeufer und Waldrand ausgewichen. Im letzten Licht des Tages erreichen wir Manawan, wo wir uns mit einem gemeinsamen Foto von Regis verabschieden. Mit Einbruch der Nacht machen wir uns auf den Weg zurück ins Holzfällercamp, das wir gegen 19.00 Uhr erreichen. Die letzte Stunde fahren wir dabei in zunehmender Dunkelheit. Die Piste wird nur noch durch die Scheinwerfer unserer Maschinen erhellt. Da mein Visier an einer Aufhängung gebrochen ist, muß ich entweder mit einer Hand lenken um das Visier fest zuhalten, oder den Kopf nach hinten legen, damit der Fahrtwind das Visier andrückt. In der Stellung habe ich mich nur an dem reflektierende Etikett an Werners Jacke orientiert. Die Rücklichter in Verbindung mit dem aufgewirbelten Schnee sehen gespenstisch aus. Wir fahren, was das Zeug hält, einfach den Daumen voll angedrückt. Ständig im Vertrauen darauf, dass der Vordermann schon nicht von der Piste abkommen wird. Einen eventuellen Gegenverkehr hätten wir einfach niedergebügelt. Besser nicht daran denken. Die Vorstellung, dass in diesem Jahr - wie Regis erzählte - viele Wolfsrudel mit bis zu 16 Tieren in dieser Gegend gesichtet wurden, lässt einen bei dem Gedanken an eine Panne in der Nacht eher erschaudern. Fällt es Werner früh genug auf, wenn ich im Rückspiegel nicht mehr zu sehen bin ?
Beim Abendessen lassen wir diesen aufregenden und erlebnisreichen Tag noch einmal Revue passieren und begutachten die bisher gemachten Videoaufnahmen. Wir stärken uns mit Suppe, Hähnchen mit Frites und natürlich Fruchtkuchen (eigentlich sollte es ja Spagetti mit Knoblauchbrot geben). Danach ist für mich Putz- und Flickstunde angesagt. Während des Tages ist die offene Naht der Thermohose im Schritt um ca. 30 cm weiter aufgerissen. Es wurde im Bereich der Familienplanung durch den Fahrtwind doch beachtlich kalt! Das kaputte Visier befestige ich mit Klebeband, nachdem der Versuch mit dem Sekundenkleber scheitert. Beeilung ist angesagt, denn jede Minute kann der Generator wieder gestoppt werden und das Licht ausgehen.
Dann rauchen Ingo und ich noch eine schöne Zigarre und sind froh, gegen 22:00 h wieder im Bett zu liegen.


5. Fahrtag - Donnerstag, 11.03.04
(Lac du Repos – Lac Taureau – St. Come) 92 Meilen / 147 km

Heute ist schon der letzte Fahrtag unserer Tour! JC schlägt vor, am Vormittag im Umkreis des Lac du Repos Geländeerfahrung zu sammeln, anschließend das Mittagessen im Camp einzunehmen, und nachmittags, so weit wie es die Pistenverhältnisse erlauben, nach Süden zu fahren, wo uns dann einer seiner Kollegen mit dem Trailer aufgabeln würde.
Bis auf JC ordern wir heute alle „Ingos Maxi-Frühstück“. Ein weiser Entschluss, wie sich recht bald herausstellen wird. Mit frischen Kräften geht es danach querfeldein ins Gelände.
An einer Lichtung halten wir an und JC sagt uns, dass wir ab hier damit rechnen müssen, alle 100 Meter mindestens ein Snowmobil ausgraben zu müssen. Da wir uns ja mittlerweile als erfahrene Snowmobilisten bezeichnen, kann er uns damit nicht sonderlich beeindrucken.
Bereits nach kurzer Zeit steckt zuerst JC selber fest. Da wir alle an einer Anhöhe stehen, ruft er Ingo zur Hilfe, mit dem Erfolg, dass auch Ingo seine Karre im Tiefschnee versenkt. Nun ist Werner an der Reihe und wie sollte es anders sein, dass auch er bald feststeckt. Ich soll oben warten und kann so die warme Sonne genießen. Mit vereinten Kräften sind die drei damit beschäftigt, die Kisten wieder frei zuschaufeln und um 180° zu drehen. Ich denke mir: „Nun aber den Weg frei machen, damit die Drei, wenn sie hochgefahren kommen auch vorbei kommen.“
Beim Wenden geschieht, was kommen musste. Auch ich versenke das Moped im durch die Sonne aufgelockerten Pulverschnee. Als die drei hoch kommen, habe ich natürlich die Lacher auf meiner Seite. Nun kriechen wir durch den Schnee, um diesen zu festigen und mir eine Schneise zu bereiten. Ingo springt von der Sitzbank aus in den Pulverschnee mit einer Arschbombe, wie früher im Schwimmbad. Wir haben richtig Spaß, aber der Schweiß fließt in Strömen. Eins weiß ich, das nächste mal nehme ich mindestens Schneeschuhe mit, um nicht ständig bis unter die Achselhöhlen im Schnee zu versinken. Das ist zwar lustig, aber auch sehr anstrengend.

Auf der Rückfahrt zum Weg können wir unsere Schadenfreude nicht verbergen bei dem Gedanken, dass andere Schneemobilisten, in der Hoffnung auf einen neuen Trail, unserer Spur folgen, und erst weit im Gelände erkennen würden, dass es sich um eine Sackgasse mit "Tiefgarage" handelt. Der weitere Verlauf bleibt durch abenteuerliche Grabenüberquerungen, steile Auf- und Abfahrten und einer höchst anspruchsvollen Auffahrt schräg zum Hang, bei welcher man mit beiden Beinen auf dem linken Trittblech stehend die Fuhre unter dosiertem Vollgas den Hang hoch jonglieren muss, abwechslungsreich und spannend. Beim Versuch, zu Fuß ans Ufer zu laufen, lernt Werner auch den berüchtigten Eisschlamm kennen, in dem er plötzlich bis zu den Knien versinkt und ihm das Wasser in die Stiefel läuft. Wir haben an diesem Vormittag zwar nur 32 Meilen zurückgelegt. Dies waren jedoch die härtesten Meilen der gesamten Tour. Wir sind froh, als es wieder zum Holzfällercamp der Lumberjacks zurück geht.

Die Mittagspause verbringen wir aufgrund des strahlenden Sonnenscheins und der angenehmen Temperatur auf der Terrasse vor der Lodge. Trotz des üppigen Frühstücks werden die Suppe, die große Portion Fleischbällchen mit Kartoffeln und roten Beete (Irish Stew) sowie der Salat schnell verputzt. Durch ein plötzliches Jaulen aufmerksam gemacht, bemerken wir, dass einer der drei Haushunde unter der Hütte festsitzt. Er kann erste nach dem Demontieren etlicher Verkleidungslatten befreit werden.

Wir liegen auf unseren Stühlen und genießen die Sonne, bis JC zum Aufbruch mahnt. Ohne größere Pausen rauschen wir in einem Zug mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über Trails, Pisten und teilweise vereiste Straßen dem Endpunkt unserer Tour entgegen. Bei höheren Geschwindigkeiten sind die Maschinen im Sulzschnee und Eis kaum noch auf Spur zu halten. Vom Übermut gepackt werden außerdem noch einige riskante Fahrmanöver probiert. Der Schnee, der durch die Räumfahrzeuge an dem Straßenrand zu einer Art Wall angehäuft wurde, dient uns in den langen Linkskurven als Steilkurve. Macht einen super Spaß. Eigentlich ist es nur ein Zufall, dass bei dieser wilden Hatz nichts passiert ist. Gegen 17.00 Uhr und 60 Meilen weiter im Süden erreichen wir am Lac Taureau die Auberge CanadAventure, wo bereits der Van mit Trailer auf uns wartet. Schnell sind die Maschinen verzurrt, allerdings falsch, wie wir später feststellen, denn die hinteren Maschinen rutschen auf die vorderen auf. Gegen 19.30 h erreichen wir erschöpft aber glücklich das Basislager in St. Come. Nun schnell noch die Thermoklamotten abgegeben und ab unter die Dusche.

In den 5 Tagen haben wir insgesamt 539 Meilen oder 862 Kilometer auf unseren Schneemobilen zurückgelegt. Der süßliche "2-Taktduft" und die kreischenden Motoren werden uns fehlen. JC überreicht uns das obligatorische Certificat of the Adventurer mit einem großen Lob für unsere Fahrkünste (wir wären in diesem Jahr die einzige Gruppe ohne Unfall gewesen, ja man höre und staune) und mit Dank für den Spaß, den er mit uns haben durfte. Wir verabschieden uns herzlich und mit einem "goldenen Handschlag" von ihm Unsere Einladung für den Abend lehnt er dankend ab. Er müsse umgehend nach Montreal, um seine nächste Gruppe zu übernehmen. Ich vermute, dass diese Gruppe seine Freundin ist. Ein verständliches Verlangen.

An diesem Abend schmeckt das Essen nicht besonders. Da wir die Letzten sind, ist es fast kalt. Die Gemüsesuppe ist akzeptabel, die noch halbrohen und fast kalten Roastbeeffetzen nicht; ebenso der im blutigen Fleischsaft schwimmende grüne Salat mit Champignons. Ingo und Werner lassen das Fleisch stehen, ich habe aber richtig Hunger und alles verdrückt - schließlich komme ich ja aus der Wildnis!
Auch die als Dessert gereichten karamellisierten Früchte mit Eis schmecken seltsam und natürlich sehr süß. Nachdem ein anderer Tourguide sich über die Zigarillos von mir und Ingo beschwert, beenden wir den Abend recht bald. Ziemlich geschafft von den Kraftakten des Vormittags und der wilden Fahrt am Nachmittag sinken wir in den tiefen wohlverdienten Schlaf.



Rückreise nach Montreal - Freitag, 12.03.04

Wie gewohnt, bin ich morgens um 06:00 h wach und siehe da - es schneit! Vorbei die Sonnentage. Also gehe ich duschen und packe meinen Koffer für die Rückreise. Durch das Fenster sehe ich, wie der Chef der Truppe die Snowmobile, natürlich ohne Rampe, vom Trailer ablädt. Nach einer Katzenwäsche der Snowmobile werden sie in der Endkontrolle abgenommen. Und es gibt trotz der ganzen Raserei durch die Pampas nichts zu reklamieren!
Nach dem Frühstück geht es um 10:00 h dann mit dem Van zurück nach Montreal. Wir werden direkt zum Hotel Gouverneur gebracht. Werner läßt sein Gepäck im Van liegen, denn er wird später um 15:00 h wieder am Hotel abgeholt und zum Flughafen gefahren.
Wir beschließen, noch gemeinsam die Ville Souterraine, die weltweit größte unterirdische Einkaufspassage mit über 1.700 Geschäften, zu besuchen und machen ein bisschen Shopping. Nachdem wir uns von Werner verabschiedet haben, gehen Ingo und ich ins Hard Rock Cafe. Ist natürlich ein Muss, wenn man schon einmal hier ist. Im Hotel hatten wir uns eine kleine Karte von einem Zigarrengeschäft mitgenommen, welches wir nun suchen. Endlich gefunden, sind wir doch etwas enttäuscht, denn eigentlich ist der Laden nichts besonderes. Was uns sofort auffällt, ist, dass die kleinen Zigarrelos einzeln verkauft werden! Eine 10er Packung Moods kostet locker Can$ 12,-. Dann aber zurück zum Hotel, es ist kalt! Neben der Metro angekommen, laufen ein paar Farbige provokativ neben uns her und wollen Ecstasy verkaufen.
Nach dem Abendessen in einem naheliegenden Restaurant haben wir uns die letzte Zigarre in Canada angesteckt. Allerdings können wir kaum die Hälfte rauchen, da werden wir schon gebeten, die Zigarre aus zumachen. Zigarre darf man in Montreal nur in bestimmten Restaurants rauchen. Also zurück zum Hotel und ab ins Bett.



Abreisetag in Montreal – Samstag, 13.03.04

Endlich ein Tag zum Ausschlafen, habe ich mir zumindest vorgestellt. Punkt 4:00 h morgens bekomme ich von meiner Tochter, die gerade von ihrem Wochenendtrip aus England zurück kommt, eine SMS. Gerade eingeschlafen klingelt um 4:30 h wieder das Handy. Eine SMS von meinem Nachbarn Hermann, der mir mitteilen will, dass er gerade Schrauben für seine Fernsehhalterung kauft. Draußen stürmt es und der Schnee wird nur so um die Ecken gepeitscht. Wieder etwas in Trance versunken klingelt gegen 5:00 h nochmals das Handy. Nun erhalte ich eine SMS von meiner Frau, die sich freut, dass ich nun endlich zurück kommen würde! Toll, und was mach ich jetzt so mit der angefangenen Nacht? 7:30 h aufgestanden, geduscht und wie jeden Morgen Ingo aus dem Bett geschmissen. Nach einem kräftigen Interkontinentalen Frühstücksbuffet haben wir unsere Koffer in der Lobby verstaut. Was macht man nun mit diesem Tag, schließlich müssen wir bis 16:00 h am Flughafen sein? Nach kurzer Überlegung sind wir dann in die Metro gestiegen und zum Olympiastadion gefahren. Dort entpuppt sich der von JC als Ski-Sprungschanze beschriebene schiefe Turm, den man weit von jeder Stelle Montreals aus sehen kann, als ein normaler schiefer Turm. Naja was heißt normal, auf jeden Fall hat er nun wirklich nichts mit Skispringen zu tun. Aber es ist, wie wir erfuhren, immerhin der höchste schiefe Turm der Welt. Mit dem Schrägaufzug dann für Can$ 10,- nach oben. Der Blick ist einmalig! Mir fällt auf, dass, abgesehen von den Hochhäusern (ähnlich wie in Frankfurt), alle andere Häuser überwiegend Reihenhäuser sind und vor allem alle gleich hoch gebaut wurden. Man hätte ein Lineal drüber legen können.

Zurück mit der Metro zum Hotel kommt mir oben am Ausgang der Station ein Gedanke vom Vortag, und so spreche ich eigentlich nur das Wort „Ecstasy“ aus. Sofort kommen zwei Typen nickend auf uns zu. Ich weis nicht ob Sie nun kaufen oder verkaufen wollten. Mit den Koffern an der Hand geht es dann 100 Meter über die Straße zur Greyhound Station. Mit dem Ticket, welches wir bereits in Deutschland gekauft haben, fahren wir mit dem 15:30 h Bus zum Flughafen Durval. Das Einschecken und der Gang durch den Zoll sind problemlos. Mit einer kleinen Verzögerung geht es dann gegen 19:10 h von Montreal über Frankfurt a.M. nach Münster.

Ein wirklich abenteuerliches Erlebnis in der Wildnis von Canada ist zu Ende.

...zu guter letzt

Die Pillen gegen Rückenschmerzen habe ich natürlich nicht gebraucht. Ingo bekam auf Grund seines großen Hungers von JC den Spitznamen „Papa Bär“. Ecstasy haben wir nicht gekauft. Kalte Hände und Füße hatten wir aufgrund der Heizung und der guten Thermokleidung eigentlich nie...


-Claus Evels-